Freitag, 23. Mai 2008

Fields Of The Nephilim - Genesis & Revelation

Es gibt sie noch, die guten Überraschungen an einem Samstag Mittag! Bei einem eher ziellosen Besuch des örtlichen Saturns fällt mir im Regal "Hard'n Heavy" eine schwarze Pappbox mit einem höchst vertrauten Mantelmann-Motiv auf. Sofort steigt der Puls und die Hände werden zitterig und beim Näherkommen wird klar, der erste Eindruck hat tatsächlich nicht getäuscht, eine neue CD der Fields! Besser gesagt eine Doppel-CD mit "Studio Rarities" und einer Live Performance auf dem Roskilde Festival 2000 sowie einer DVD mit Videos und Live-Mitschnitten unter anderem vom M'Era Luna 2000. WOW! Eigentlich seltsam, dass die Veröffentlichung einer solchen Box völlig unbemerkt an mir vorbeigegangen sein kann... Aber egal, der Preis von satten 20 Euro wird gerne gezahlt, auch wenn schon auf den ersten Blick auffällt, dass die Raritäten-Scheibe alleine drei Versionen von "Power" und zwei von "Secrets" enthält. Kurze "Nicht kaufen!"-Warnungen meines Gehirns werden ausgeschlagen, es wird sich schon nicht um ein zweites "Fallen" handeln... Hätte ich bloß etwas besser auf mein Hirn gehört und genauer auf die Box geschaut, dann wäre mir nämlich der Name "Jungle Records" aufgefallen, jenes Label, welches für eben genanntes Werk zu verantworten ist!

Doch so blieb die Vorfreude ungetrübt und kaum zu Hause wird als erstes die DVD in den heimischen Player geschoben. Und schon der erste Schreck, die Scheibe läuft nicht!! Schrecklich ruckelig und von lautem Ächzen und Knacken begleitet lässt sich nur erahnen, das einem hier das Demo-Video zu "Power" geboten wird. Also raus mit der DVD und nachgesehen, ob irgendwelche Kratzer an dieser Misere schuld sind. Was im ersten Moment der Freude noch nicht auffällig war, zeigt sich jetzt jedoch ganz deutlich: Diese DVD (und ebenso die beiden CDs) haben eine Sch*** Qualität!

Vielleicht nur ein Fehler in der Produktion... Lieber mal mit leichten Sorgenfalten auf der Stirn die erste CD probieren. Diese läuft und die erste Version von "Power", der "Powered Up Mix" der Stanton Brothers (wer auch immer das sein mag), geht noch ganz in Ordnung, auch wenn diese sich so gut wie gar nicht vom Original unterscheidet. Der "Cloak & Dagger Mix" von "Secrets" - ebenfalls von den Stantons - ist nicht mehr als eine leicht verlängerte Kopie des Originals, etwas, das nach Mänteln und Dolchen klingt, sucht man leider vergebens. Track drei ist ein "O'Higgins Mix", der anscheinend bei den Aufnahmen 1986 durch's Raster gefallen ist und ebenfalls kaum Unterschiede zu der auf "Dawnrazor" enthaltenen Variante aufweist. Erst bei den nun folgenden drei Demo-Versionen von "Dawnrazor", "Secrets" und "Power" wird dem Hörer wirklich Neues geboten, wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass es diese Demos nicht auch als Bootleg irgendwo zu ersteigern gibt.

Nach diesem kurzen Ausflug in ganz alte Zeiten dürfen sich (wieder mal) die Stanton Brothers (wieder mal) über "Power" hermachen. Diesmal handelt es sich um einen "Power Surge Mix". Auch wenn es sich tatsächlich mal um einen wirklichen Remix handelt, lässt einen das Gefühl nicht los, dass auf dieser CD ordentlich viel Müll verwurstet wurde!

Das letzte Stück der CD lässt allerdings wieder aufhorchen, "Deeper Deepest Dub" nennt sich der Track, der während der Reunion 1997 entstanden sein soll. Die Länge von 9:27 verleitet zu dem Glauben, man habe es mit einem epischen Machwerk zu tun, jedoch wird man auch hier (schon fast erwartungsgemäß) enttäuscht: es handelt sich um eine gefühlte 1000 mal wiederholte Tonspur von "Deeper", auf der nicht eine Sekunde Gesang zu hören ist. Was man bei diesem Stück fühlt, lässt sich nicht im Ansatz beschreiben, dass meine Anlage trotz der sich ewig wiederholenden, immer gleichen und Hass erzeugenden Gitarrensequenz noch lebt, ist ein wahres Wunder und in hohem Maße meinem engelsgleichen Sanftmut zuzuschreiben! Soweit zu CD Eins.

CD Zwei beinhaltet wie bereits oben erwähnt einen Mitschnitt vom Auftritt beim Roskilde Festival 2000. Eigentlich muss nicht mehr gesagt werden, die Soundqualität hat immerhin mittleres Bootlegniveau, die Songs reichen durch alle Schaffensphasen der Band (sogar einige Tracks von "Zoon" sind enthalten) und die Herren McCoy und Co. spielen ihren Stiefel routiniert herunter. Gänsehautfeeling á la "Earth Inferno" wird hier nicht geboten, durfte aber sicherlich auch nicht erwartet werden. Auch wenn in der Trackliste "Love Under Will" und "For Her Light" vertauscht wurden und am Ende des Auftritts das johlende Publikum nicht mal ausgeblendet, sondern einfach abgehackt wird, ist dies insgesamt noch die lohnenste Scheibe dieser Box (auch wenn dieser Auftritt garantiert ebenfalls als Bootleg irgendwo zu finden sein dürfte), denn das, was auf der DVD (wenn man sie denn mal zum Laufen gebracht hat) geboten wird, ist an Frechheit nicht mehr zu überbieten!

Es beginnt mit der Video-Promo von "Power", bei der über die dargebotene Bildqualität sicherlich noch gestritten werden darf, dann folgen zwei Auftritte aus dem "Brighton Zap Club" und einer aus dem "Croydon Underground" von 1986. Spätestens hier sollte man aber - zumindest bei diesem Preis - eine gewisse Bild- und Tonqualität voraussetzen dürfen! Aber wenigstens kommt bei diesen Stücken ("Laura", "Trees Come Down" und "Dawnrazor") noch ein Hauch von Gefühl dafür auf, was die Faszination dieser Band live ausmacht.

Leider geht dieses bei dem Mitschnitt des M'Era Luna-Auftritts gänzlich verloren. Wie soll auch Atmosphäre entstehen, wenn diese "Unseen Performance" (original Sleeveaufdruck) von irgendeinem Arschloch aus der hintersten Reihe mit einem billigen Fotoapparat gefilmt wurde?! Nicht nur, dass kein Stativ benutzt wurde und somit alles verwackelt ist, auch die Tonqualität ist so unterirdisch schlecht, dass man denjenigen, der diesen Mist zahlenden Fans verkauft und sich mit dem "Contains historical archive footage of varying quality"-Hinweis auf der Rückseite der CD auch noch über selbige lustig macht, eigentlich erst Teeren und Federn, die Seele aus dem Leib prügeln und anschließend außer Landes jagen müsste!!! Das lächerliche Interview, welches sich als eine nach dem 1998er Zillo-Festival (in der gleichen miesen Qualität) mitgefilmte und im übrigen völlig bedeutungslose Pressekonferenz entpuppt, verstärkt diesen Wunsch nur noch und lässt diese DVD zur größten Frechheit verkommen, die mir im Laufe meines Lebens untergekommen ist!

Um es direkt auf den Punkt zu bringen: Diese Box ist dreiste Abzocke der übelsten Sorte, von der man jedem potentiellen Käufer nur abraten kann! Schlechte Ton-, Bild- und im Fall der meisten Remixe auch Songqualität enttarnen diese Box - weitaus schlimmer noch als "Fallen" - als lieblos-dilettantisch von Jungle zusammengestellte und von den Fields (verständlicherweise) nicht autorisierte Ansammlung von Schrott. Sollte man bisher noch Zweifel gehabt haben, wer an der "Fallen"-Misere die Hauptschuld zu tragen hatte, dürften diese spätestens jetzt endgültig beseitigt sein. Die Herren vom Label beweisen wieder einmal, dass sie keine Skrupel haben, Fans zu verarschen und den Ruf der Band gleichermaßen auszunutzen und zu zerstören, um auch den letzten Dreck noch zu Geld machen zu können! Wer auch immer für diese Veröffentlichung zuständig gewesen sein mag, sollte sich gehörig schämen!!!

So, und jetzt zur Erholung einmal ganz in Ruhe "Earth Inferno" genießen...!

Tracklist:

CD 1:

  1. Power [Powered Up Mix]
  2. Secrets [Cloak & Dagger Mix]
  3. The Tower [O'Higgins Mix]
  4. Dawnrazor [Demo Version]
  5. Secrets [Demo Version]
  6. Power [Demo Version]
  7. Power [Power Surge Mix]
  8. Deeper Deepest Dub [1997 Reunion]

CD 2:

  1. Intro (The Harmonica Man)
  2. Preacher Man
  3. Moonchild
  4. For Her Light
  5. Love Under Will
  6. Shine
  7. Zoon (Part 3 - Wake World)
  8. Xodus
  9. Dawnrazor
  10. Psychonaut

DVD:

  1. Power [Video Promo]
  2. Laura [Brighton Zap Club 1986]
  3. Trees Come Down [Brighton Zap Club 1986]
  4. Dawnrazor [Croydon Underground 1986]
  5. Moonchild [M'Era Luna Festival 2000]
  6. For Her Light [M'Era Luna Festival 2000]
  7. Love Under Will [M'Era Luna Festival 2000]
  8. Psychonaut [M'Era Luna Festival 2000]
  9. Interview [Bonus Feature]

Links:

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"Genesis & Revelation" bei Jungle Records

Freitag, 9. Mai 2008

Milan Hlavsa - Silenstvi (Madness)

Das letzte Lebenszeichen des 2001 an Krebs gestorbenen Gründers und Chefdenkers der tschechischen The Plastic People Of The Universe. Diese Band ist in Deutschland bestenfalls ein Geheimtipp, in ihrer Heimat sind die nach einem Song von Frank Zappa benannten Undergroundkünstler jedoch so etwas wie Volkshelden, schließlich löste das Verbot dieser (im übrigen ursprünglich eher unpolitischen) Gruppe im Jahr 1970 und die Inhaftierung ihrer Mitglieder 1976 die Veröffentlichung der Charta 77 aus.

Musikalisch gesehen orientierte sich der Sound der Plastic People damals an den Doors und The Velvet Underground, wobei den Songs stets eine ordentliche, durch den (besonders für mitteleuropäische Ohren) ungewöhnlichen tschechischen Gesang und den Einsatz zumeist völlig kaputter oder selbst gebauter Instrumente bedingte Portion Eigenwilligkeit beigemischt wurde.

Auf seinem Soloalbum klingt Hlavsa im Vergleich zu den früheren Alben seiner Band dagegen ziemlich gemäßigt, zumeist bilden wummernde Keyboardklänge und ein relaxt brummender Bass in Kombination mit sägenden Gitarren die Grundlage für den einzigartigen, mal seltsam düster-rauhen, mal klaren und melodischen Gesang.

Den Beginn macht das titelgebende "Silenstvi (Madness)", das sich zwar recht monoton aber trotzdem fesselnd über knapp mehr als sechs Minuten hinzieht, anschließend folgt das vom beschwörenden Gesang bzw. Gemurmel Hlavsas dominierte "Divnej Svet (Strange World)", welches den Hörer durch seine dunkel-hypnotische Wirkung in seinen Bann zieht. "Kapky Krve (Drops Of Blood)" fällt im Vergleich dazu deutlich ab, der zu aufgeregte Rhythmus und der übertriebene Einsatz des Keyboards machen die an sich guten Ansätze des Songs zunichte, so dass einem dieses Stück bei der Länge von immerhin mehr als sechs Minuten ziemlich schnell auf die Nerven gehen kann.

Der von Vorbild Frank Zappa gecoverte Ohrwurm "Spatny Zpravy Kazdej Den (Trouble Every Day)" macht diesen Ausfall jedoch mehr als wett, wofür sich vor allem die schöne und Wärme ausstrahlende Stimme von Eva Turnova (ihres Zeichens Schauspielerin, Bassistin bei der Schwesterband DG307 und nach Hlavsas Tod sein Ersatz bei den Platic People) verantwortlich zeigt. Dieser Track übt in seiner monotonen Schwermut eine unglaubliche Anziehungskraft aus und schmiegt sich sanft, aber bestimmt an den Gehörgang an, um sich unauslöschlich im Gehirn festzusetzen.

"Moc Jsem Si Neuzil (I Haven't Swilled Enough Pleasures)" ist dem zweiten Track in Hinsicht auf Rhythmik und Instrumentierung verdächtig ähnlich, allerdings verleihen der veränderte Gesang und die ab und zu eingestreuten Gitarrensoli dem Stück eine völlig neue, dem Titel entsprechend deutlich aggressivere und unruhigere Stimmung, welche allerdings mit dem nachfolgenden und nach seiner zwischenzeitlichen Plastic People-Nachfolgeband Pulnoc benannten "Pulnoc (Midnight)" noch übertroffen wird. Dieser Song wird von einem für Hlavsa-Verhältnisse rasanten Drumming, zahlreichen Loops und flirrenden Gitarren vorangetrieben, wobei die den vorherigen Stücken eigene Anziehungskraft leider ein wenig verloren geht. Zum Glück macht das anschließende "Sporapky (Nut Shells)" mit seiner faszinierenden Entspanntheit den vorausgegangen Aussetzer sofort wieder vergessen. Dank der zurückhaltenden Instrumentierung und des gleichmäßig-sanften Rhythmus fühlt man sich beim Zuhören von der dunklen Stimme des Sängers sofort wohlig umgarnt und in seiner eigenen kleinen Nussschale in Sicherheit gewogen, so dass dieser Track - zusammen mit "Spatny Zpravy Kazdej (Trouble Every Day)" - einen der beiden wunderbar ruhigen Höhepunkte des Albums bildet.

"Andelske Vlasy (Angels Hair)" geht dagegen in eine völlig andere Richtung und lässt sich aufgrund der teilweise elektronisch verzerrten Stimme und des mystischen Keyboards musikalisch nur schwer einordnen, wobei der Begriff Trip-Rock dem Sound des Stückes wohl am nächsten kommt. Ist sicher nicht jedermanns Sache, aber (zumindest kurzzeitig) durchaus interessant.

"Klaustrofob (The Claustrophobe)" bringt den typischen Hlavsa-Sound (und insbesondere die kreischende Gitarre) wieder zurück und überrascht im Refrain mit orientalisch angehauchten Gesangssamples. Leider werden diese guten Ansätze im weiteren Verlauf des Tracks nicht weiter verfolgt, so dass sich der Song am Ende kaum vom Rest des Albums abheben kann und letztlich ein wenig untergeht.

Abschließend schmeichelt sich "Kouzla A Cary (Magic And Withcraft)" mit Ohrwurmgitarre und beruhigender Stimme ins Gehör. Der entspannt brummende Bass rundet den schönen Gesamteindruck ab und lässt den Song zu einem späten Highlight des Albums werden.

Am Ende muss über das letzte Album des tschechischen Altmeisters jedoch ein zwiespältiges Urteil gesprochen werden, da dieses Werk zumindest über die Gesamtlaufzeit von etwas mehr als 54 Minuten ein wenig Abwechslung vermissen lässt. Alle Stücke klingen mehr oder weniger gleich, lediglich "Spatny Zpravy Kazdej Den (Trouble Every Day)" sticht wirklich heraus und bleibt schon nach dem ersten Hördurchgang hängen. Andererseits verfügen die Soundkonstrukte Hlavsas über einen außergewöhnlichen, durch die dunkle Stimme und die tschechische Sprache fremdartigen und sperrigen Charakter, der sich zwar nicht jedem mitteleuropäischen Ohr erschließen wird, aber dieses Werk dafür zu einer interessanten Alternative für Entdecker neuer Klänge und alle diejenigen macht, die sich für die musikalische und politische Geschichte Osteuropas interessieren.

Tracklist:

  1. Silenstvi (Madness)
  2. Divnej Svet (Strange World)
  3. Kapky Krve (Drops Of Blood)
  4. Spatny Zpravy Kazdej Den (Trouble Every Day)
  5. Moc Jsem Si Neuzil (I Haven't Swilled Enough Pleasures)
  6. Pulnoc (Midnight)
  7. Skorapky (Nut Shells)
  8. Andelske Vlasy (Angels Hair)
  9. Klaustrofob (The Claustrophobe)
  10. Kouzla A Cary (Magic And Withcraft)

Links:

The Plastic People Of The Universe Homepage

The Plastic People Of The Universe bei Myspace

Email-Interview mit Milan Hlavsa

The Plastic People Of The Universe bei Sterneck.net

Interview mit den Plastic People 2006

Mittwoch, 27. Februar 2008

Paradise Lost - In Requiem

Endlich ein Schritt in die richtige Richtung...

...hört man seit einigen Jahren (genaugenommen seit allen Platten jenseits von "Host") sowohl von der Band als auch von den Kritikern. Getan hat sich seit dem immer relativ wenig, zwar wurden die Gitarren langsam aber sicher immer weiter in den Vordergrund geschoben, jedoch konnte dies die nachlassenden Songwriter-Qualitäten der (inzwischen nur noch vier) Engländer nur schwerlich verdecken. Die Songs wurden (lässt man "Symbol Of Life" mal außen vor) immer langweiliger und aussageschwächer, und das, obwohl bei jedem neuen Output die x-te Auferstehung von "Icon" oder dem stets viel zu hoch gehandelten "Draconian Times" gefeiert wurde.

Vielleicht lag es auch an diesen Ankündigungen, dass die Wiedersehensfreude mit diesen zugegebenermaßen bereits betagten Bekannten meist schon nach den ersten zehn Minuten des Lauschens einer neuen Scheibe in den Keller fiel. Folgerichtig lernte man, sich auf diese Enttäuschung einzustellen und versuchte die (trotzdem immer in der hintersten Ecke des musikalischen Herzens aufkommende) Hoffnung, dass Mr. Mackintosh und seine Gefährten doch noch mal etwas anderes als Alibi-Alben zur Rentensicherung veröffentlichen könnten, zu unterdrücken.

So auch dieses Mal, die Ankündigungen waren die selben wie immer, einige (eigentlich verdammt viele) Idioten in diversen Foren, bei Amazon oder ähnlichen Seiten feierten diese Platte (genau wie "Believe In Nothing" oder "Paradise Lost") als "bestes PL-Album aller Zeiten", "HAMMER-ALBUM!!!!!!!!" oder sogar "Einfach nur geil - besser als Icon". Nichts Neues also...

Doch schon während des Intros beschleicht den geneigten Hörer ein seltsames Gefühl. Hier wird doch nicht etwa Atmosphäre erzeugt? Keine billig-primitiven Kleinkind-Klavierpatschereien wie noch auf dem Vorgänger, sondern schöne Keyboardklänge, die kurz darauf von einem ordentlich krachenden Riff abgelöst werden. Plötzlich werden beinahe vergessene Erinnerungen an die guten alten Zeiten wach, in denen Paradise Lost richtig rockten, tiefgestimmte Gitarren für ihre genreprägenden Songs benutzten und Nick Holmes Stimme irgendwo zwischen düsterem Grunten und Reibeisen-Metalshouter pendelte.

Zumindest die ersten beiden Punkte kann man dem Opener "Never For The Damned" nicht absprechen und sogar Mr. Holmes scheint sich zumindest teilweise daran zu erinnern, was den eigentlichen Reiz seines Stimmorgans ausmacht. "Hoffentlich kein Ausrutscher" denkt man unweigerlich nach den ersten höchst erfreulichen fünf Minuten (wann haben Paradise Lost das letzte Mal so einen langen Song geschrieben?) bevor die ersten Klänge von "Ash & Debris" aus den Boxen schallen und diese Angst nachdrücklich vertreiben. Auch hier erwischt man sich dabei, mit verklärtem Lächeln die Anlage weiter aufzudrehen und mit dem Kopf zu nicken, auch wenn nicht ganz die Klasse vom vorhergehenden Track erreicht wird.

Glücklicherweise wird von dem auf den ersten beiden Stücken eingeschlagenen Weg im weiteren Verlauf des Albums nicht abgewichen, so dass sich die sorgfältige Gitarrenarbeit Gregor Mackintosh's mit den mal klaren, mal leicht growligen Vocals zu einem einheitlichen und insgesamt meist angenehmen Ganzen paart. Nach dem eingängigen aber auch recht einfachen "The Enemy" folgt mit "Praise Lamented Shade" zwar auch ein eher am vorherigen Output orientierter Titel, was jedoch durch den (beinahe) Titeltrack "Requiem" mehr als ausgeglichen wird. Dieser überzeugt vor allem durch sein schönes Intro (Lead-Gitarre!), die gut - weil dezent eingesetzten - Chöre und die eindringliche Sangesleistung Nick Holmes'. Für das nun folgende "Unreachable" gilt das gleiche wie für den vierten Track, worauf mit "Prelude To Descent" der erste langweilige Song folgt, der doch zu sehr an "Belive In Nothing"-Zeiten erinnert, um gefallen zu können. Ähnliches wäre über "Fallen Children" zu sagen, welches ein wenig zu einfach gestrickt daherkommt.

Sollten sich nach diesen Tracks nun doch ein paar Bedenken hinsichtlich der Läuterung der Herren aus dem verlorenen Paradies einstellen, werden diese durch den Knaller "Beneath Black Skies" gnadenlos wieder zerstört. Die tiefe Stimme in den Strophen und der geile Refrain reißen mit, lassen das Lächeln zurückkehren und machen diesen Track zu einem der Highlights des Albums. Mit "Sedative God" werden die Gemüter anschließend wieder angenehm abgekühlt, der eingängige und relativ ruhige Track mit sehr schönem Ausklang tut niemandem weh, stört dafür aber auch nicht und passt sich gut ins Gesamtbild ein.

Als Rausschmeißer fungiert "Your Own Reality" und überrascht in der ersten Strophe mit verzerrter und nur von Streichern und Pauke begleiteter Stimme, bevor sich langsam auch die restlichen Protagonisten dezent am Gelingen des Tracks beteiligen dürfen. Natürlich darf das obligatorische Mackintosh-Solo nicht fehlen, welches sich jedoch nicht besonders von dem in "Over The Madness" des letzten Albums unterscheidet. Trotzdem darf "Your Own Reality" durchaus als gelungener (wenn auch unauffälliger) Ausklang des Albums bezeichnet werden.

Insgesamt kann ein positives Urteil über das neue Werk der vier Briten gefällt werden. Paradise Lost besinnen sich endlich wieder auf ihre ehemaligen Stärken, selbst wenn die tiefen Gitarren und der leicht veränderte Gesang nicht vollständig darüber hinwegtäuschen können, dass der Aufbau der Songs immer noch durchweg eher einfach gestrickt ist. Aber der angenehm rohe Sound des Albums sowie die gute - weil im Gegensatz zum selbstbetitelten Vorgänger nicht übertriebene - Produktion lassen den 80er-Weichspül-Metal-Pop von "Paradise Lost" vergessen und dieses Album zum besten seit "Host" werden.

Tracklist:

  1. Never For The Damned
  2. Ash & Debris
  3. The Enemy
  4. Praise Lamented Shade
  5. Requiem
  6. Unreachable
  7. Prelude To Descent
  8. Fallen Children
  9. Beneath Black Skies
  10. Sedative God
  11. Your Own Reality

Links:

Paradise Lost Homepage

Paradise Lost bei MySpace

Video "The Enemy"

Video "Praise Lamented Shade"

Donnerstag, 14. Februar 2008

Fields Of The Nephilim - Fallen

Die Fields sind tot!

Oder sind sie es nicht?  Alle die gehofft haben, dass das 2002er Album "Fallen" diese wichtige Frage (am besten mit nein) beantworten kann, dürfen jetzt schon enttäuscht sein. Denn der neue Output wirft mehr Fragen auf, als der geneigte Zuhörer (und auch die Band bzw. Carl McCoy selber) beantworten kann (oder im Fall von Mr. McCoy gar nicht erst will).

Schon alleine der Ärger um die aus Sicht der Künstler viel zu frühen Veröffentlichung der Scheibe und das darauf folgende beleidigte Schweigen aller Beteiligten dämpfte die Vorfreude auf dieses neue Album gewaltig. Und auch der Blick auf die Trackliste lässt Böses erahnen: Kennt man die ersten drei Titel nicht von einer schon vor Jahren erschienenen Single? Den Namen "Darkcell" hat man im Zusammenhang mit den Fields auch schon mal gehört und die Tatsache, dass noch ein "AD" angehängt wurde, macht die Sache nicht besser. Wer dann noch das recht lieblose Artwork des Booklets betrachtet, dem schwant, dass an den Gerüchten von "Rough-Mixes", "Halbfertigen Versionen" und "Demos" durchaus mehr dran sein dürfte, als einem lieb sein kann.

So legt man seltsam aufgeregt die Scheibe in den Player und drückt mit zittrigen Fingern auf Play, um den ersten Klängen von "Dead To The World" zu lauschen, welches rauschend und knackend vor sich hin plätschert und keinerlei bleibende Eindrücke außer schmerzliche Erinnerungen an die epischen und spannungsgeladenen Intros der alten Fields hinterlässt. Ohne Pause geht der Track in die Single "From The Fire" über, welche den meisten eingefleischten Fans bereits bekannt sein dürfte und bestenfalls als ganz nett durchgehen kann. Das Ende dieses Drei-Song-Einheitsbreis bildet "Thirst", das genauso klingt wie der erste Track, nur dass noch mehr Verzerrer eingesetzt wurden. Zum Glück dauert dieses Geknister nicht mal drei Minuten und "Darkcell AD" erklingt. Das Intro des Songs orientiert sich stark am Original der "Burning The Fields EP", dann setzt leider sofort wieder das geheimnisvolle Dauerrauschen ein und erstickt die schönen Ansätze des Tracks schon im Keim. Spätestens jetzt geht einem das dauernde Geknister auch gehörig auf den Sack, und man wünschte sich, der CD-Spieler wäre ein alter Fernseher, den man mit einem mehr oder minder festen Schlag auf den Deckel reparieren könnte. Zusätzlich zu diesem Ärgernis wurde der Song von ursprünglich 6:42 auf 3:52 Minuten gekürzt (es fehlt unter anderem das komplette Saxophon-Solo, da Carl McCoy nach eigener Aussage von Blasinstrumenten Bauchschmerzen bekommt), was dieser Version endgültig den KO versetzt.

Es folgt mit "Subsanity" der erste komplett neue Song, der zwar im großen und ganzen als gelungen und als ein Highlight des Albums gewertet werden kann, dem es allerdings im Vergleich zu älteren Stücken der Meister sehr stark an Atmosphäre mangelt, was vor allem durch den recht primitiven Aufbau mit Knüppelbass und dem eintönigen, steril bis billig wirkendem Drumming bedingt ist.

Das folgende "Hollow Doll" ist der einzige Track des Albums, der sich wirklich zu hören lohnt! Hier paart sich ein vernünftiger Bass mit einer schönen Melodielinie und einer - Gott oder sonst wem sei's gepriesen - kaum rauschenden Produktion und bildet ein stimmiges Ganzes, mit dem man sich - wenn es denn über die gesamte Albumlänge so bliebe - zufrieden geben könnte. Leider holt einen "Fallen" schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Das Rauschen ist (endlich wieder!!) allgegenwärtig und die Verzerrer werden bis zum Anschlag strapaziert. Auch ist der Knüppelbass, der so zu früheren Zeiten niemals in Erscheinung getreten wäre, wieder mit von der Partie. Insgesamt erinnert dieser Song viel zu sehr an Carl McCoys Soloprojekt "Zoon" (welches für sich betrachtet zwar gar nicht so übel, für ein Album der originalen Fields jedoch viel zu extrem und eintönig ist) und man mag kaum glauben, dass hier der selbe Tony Pettit den Bass vergewaltigt, der früher Gänsehauthymnen wie "Celebrate" aus den Saiten gezaubert hat!

"Deeper" ist von Sound her wieder gemäßigter, kommt dafür aber träge und schleppend aus den Boxen und besitzt keinerlei Highlights oder spannende Elemente, so dass man sich dabei ertappt, wie man gähnend am Forward-Button der Fernbedienung herumspielt. Auch die mit "Premonition" betitelte Überleitung zum nächsten Track dümpelt zum Glück nur etwas mehr als anderthalb Minuten vor sich hin, bevor das frühe Ende des Albums durch "One More Nightmare" eingeläutet wird. Was vom Titel her noch wie ein neuer Song klingt, entpuppt sich nach wenigen Sekunden Hörgenuss (?) als Vergewaltigung von "Trees Come Down" und man fragt sich, was die arme "Burning The Fields EP" Herrn McCoy angetan haben mag, dass sie ein solches Massaker verdient hat. Schlimmer hätten auch Linkin Park oder andere Idioten diesen Klassiker nicht covern können!

In der Special Edition gibt es neben zwei dämlichen Autogrammkarten der Herren McCoy und Pettit jetzt noch eine zweite CD (eigentlich völlig sinnlos, da die darauf enthaltenen Tracks locker mit auf die erste Scheibe gepasst hätten), die die Radioversion von "From The Fire" sowie Liveaufnahmen der Stücke "Love Under Will" und "Laura" beinhalten. Spätestens wer "Earth Inferno" sein Eigen nennt, kann auf diesen Bonus pfeifen, da niemand bei einer Albumspielzeit von nur 40 Minuten eine gekürzte Version eines langweiligen Songs braucht.

Abschließend muss eines klargestellt werden, es handelt sich hier nicht um das schlechteste Album aller Zeiten. Leuten, die noch nie von den Fields gehört haben, kann diese Scheibe durchaus gefallen. Allerdings ist sie für diejenigen, die die früheren Meisterwerke der Engländer kennen, völlig inakzeptabel!

Insgesamt fehlt diesem Album ganz einfach die Seele der alten Fields, alle Stücke klingen mehr oder weniger gleich langweilig, stumpf und einfallslos. Dieser Output klingt genau nach dem, was es leider tatsächlich ist, nämlich eine uninspirierte Ansammlung von Demos, unfertigen Mixes und alten Singels bzw. Coverversionen, die von der ungeduldigen Plattenfirma ohne Rücksicht auf Verluste ziemlich lieblos auf einen Silberling gepresst wurde (im Grunde genommen ist es eine Frechheit, für dieses Album auch noch den normalen Vollpreis zu verlangen, da wenn man alle bereits erschienenen Tracks mal außen vor lässt, sich eine reine Spielzeit von gerade einmal 18 Minuten ergibt). Trotz Allem ist die Schuld für diese vollkommen überflüssige Veröffentlichung nicht alleine bei der Plattenfirma zu suchen, auch Mr. McCoy muss sich die Frage gefallen lassen, wie und warum es überhaupt so weit kommen konnte.

Vielleicht wäre es besser gewesen, den Mythos Fields Of The Nephilim in Frieden ruhen zu lassen, anstatt die Fans mit solch halbgaren Alben zu quälen...

Tracklist:

CD 1:

  1. Dead To The World
  2. From The Fire
  3. Thirst
  4. Darkcell AD
  5. Subsanity
  6. Hollow Doll
  7. Fallen
  8. Deeper
  9. Premonition
  10. One More Nightmare (Trees Come Down AD)

CD 2:

  1. From The Fire [Single Edit]
  2. Love Under Will [Live]
  3. Laura [Live]

Links:

Fields Of The Nephilim Homepage (mit Kommentar zu "Fallen" unter The Void --> Archive --> The Nephilim... A Statement)

Fields Of The Nephilim bei MySpace

Fallen bei Jungle Records (inklusive Antwort auf Carl McCoys Statement)

Sonntag, 20. Januar 2008

Bohren & Der Club Of Gore - Sunset Mission

Vertonte Einsamkeit

Eine regnerische Nacht in einer trostlosen Großstadt. Ich sitze im Auto und befahre ziellos eine nasse Straße, auf der sich die Lichter der Laternen und vereinzelt beleuchteter Wohnungen spiegeln. Das monotone Motorengeräusch und der gleichmäßige Rhythmus der Scheibenwischer bilden die Grundlage einer ausgeprägten Depression, zu deren Vollendung nur noch eines fehlt: der perfekte Soundtrack.

Und genau der ist mit "Sunset Mission" gefunden, einem knapp 75 minütigen Meisterwerk musikalischer Melancholie. Wie schon in den vorherigen Werken der vier Mühlheimer ist auch dieses Album geprägt von langsamen, monoton-schwermütigen Melodien und einer damit verbundenen einzigartigen und Einsamkeit erzeugenden Stimmung, die sich nur schwer nachvollziehen lässt, wenn man dieser Band noch nie sein Ohr geliehen hat.

Auf einzelne Tracks einzugehen würde dem Gesamteindruck dieses Werkes nicht gerecht werden, da alle Stücke - egal, ob es sich um das von wunderschönen Pianoklängen getragene "Prowler", das über 16 minütige "Nightwolf" oder das abschließende und mit minutenlangem Regenprasseln endende "Dead End Angels" handelt -im Grunde genommen nur eine jeweilige Variation der dem Album zu Grunde liegenden tristen Grundstimmung sind. Wer jetzt vermutet, dass sich dies nachteilig auf den Höreindruck auswirkt, liegt falsch. Im Gegenteil, die einzelnen Tracks ergänzen sich dermaßen perfekt, dass man nach dem Genuss des Albums den Eindruck hat, einem einzigen, 75 Minuten dauernden Song gelauscht zu haben, eine Eigenschaft, welche mir in dieser Intensität (wenn auch stilistisch in einer völlig anderen Richtung) bisher nur noch bei "Elizium" von den Fields Of The Nephilim vorgekommen ist.

Eines steht fest, bei "Sunset Mission" handelt es sich um kein leicht verdauliches Album, vielmehr verleiten einen der schwermütige Sound, das sanft klagende Saxophon und die gestrichenen Drums dazu, sich bei einem Glas Rotwein immer tiefer in seine Melancholie fallen zu lassen und der Einsamkeit zu frönen, aber aus diesem Grund ist es auch genau solche Musik, die einen ein Leben lang begleitet und einem helfen kann, die Krisen des selbigen zu überwinden.

Tracklist:

  1. Prowler
  2. On Demon Wings
  3. Midnight Walker
  4. Street Tattoo
  5. Painless Steel
  6. Darkstalker
  7. Nightwolf
  8. Black City Skyline
  9. Dead End Angels

    Links:

    Bohren & Der Club Of Gore Homepage

    Bohren & Der Club Of Gore bei MySpace

    Video "Prowler"

    Samstag, 19. Januar 2008

    Zu Beginn...

    Was?

    Musik. Hauptsächlich gute. Gut bedeutet in diesem Fall neue und längst vergangene Klänge aus dem Bereich des Gothic Rock, Punk und Post Punk mit einigen Abstechern in andere Gebiete wie Electro, Wave, Jazz und was-weiß-ich-noch wohin.

    Warum?

    Weil wir feststellen mussten, dass man sehr viel Zeit investieren muss, um sinnvolle Kaufempfehlungen jenseits der alles-toll-oder- alles-schlecht-Bewertungen großer Onlineversandthändler zu finden.

    Deshalb wollen wir in diesem Blog unsere Musiksammlung und ein paar Neuanschaffungen langsam aber sicher vorstellen und hoffen dabei, den Ein oder Anderen zum Kauf einer guten Scheibe verleiten oder vor dem Kauf einer schlechten bewahren zu können.

    Was nicht?

    Wer den zur Zeit leider furchtbar aktuellen Möchtegern-MTVIVA-Goth aus den Klingeltoncharts sucht, ist hier falsch und soll zur Hölle fahren!

    Wann?

    Zumindest ab und zu... Wir geben uns Mühe, halbwegs regelmäßig neue Scheiben vorzustellen!

    Sonstiges

    Kommentare und Diskussionen sind natürlich ausdrücklich erwünscht, auch Plattenempfehlungen oder Rezensionswünsche sind immer gern gesehen.