Freitag, 23. Mai 2008

Fields Of The Nephilim - Genesis & Revelation

Es gibt sie noch, die guten Überraschungen an einem Samstag Mittag! Bei einem eher ziellosen Besuch des örtlichen Saturns fällt mir im Regal "Hard'n Heavy" eine schwarze Pappbox mit einem höchst vertrauten Mantelmann-Motiv auf. Sofort steigt der Puls und die Hände werden zitterig und beim Näherkommen wird klar, der erste Eindruck hat tatsächlich nicht getäuscht, eine neue CD der Fields! Besser gesagt eine Doppel-CD mit "Studio Rarities" und einer Live Performance auf dem Roskilde Festival 2000 sowie einer DVD mit Videos und Live-Mitschnitten unter anderem vom M'Era Luna 2000. WOW! Eigentlich seltsam, dass die Veröffentlichung einer solchen Box völlig unbemerkt an mir vorbeigegangen sein kann... Aber egal, der Preis von satten 20 Euro wird gerne gezahlt, auch wenn schon auf den ersten Blick auffällt, dass die Raritäten-Scheibe alleine drei Versionen von "Power" und zwei von "Secrets" enthält. Kurze "Nicht kaufen!"-Warnungen meines Gehirns werden ausgeschlagen, es wird sich schon nicht um ein zweites "Fallen" handeln... Hätte ich bloß etwas besser auf mein Hirn gehört und genauer auf die Box geschaut, dann wäre mir nämlich der Name "Jungle Records" aufgefallen, jenes Label, welches für eben genanntes Werk zu verantworten ist!

Doch so blieb die Vorfreude ungetrübt und kaum zu Hause wird als erstes die DVD in den heimischen Player geschoben. Und schon der erste Schreck, die Scheibe läuft nicht!! Schrecklich ruckelig und von lautem Ächzen und Knacken begleitet lässt sich nur erahnen, das einem hier das Demo-Video zu "Power" geboten wird. Also raus mit der DVD und nachgesehen, ob irgendwelche Kratzer an dieser Misere schuld sind. Was im ersten Moment der Freude noch nicht auffällig war, zeigt sich jetzt jedoch ganz deutlich: Diese DVD (und ebenso die beiden CDs) haben eine Sch*** Qualität!

Vielleicht nur ein Fehler in der Produktion... Lieber mal mit leichten Sorgenfalten auf der Stirn die erste CD probieren. Diese läuft und die erste Version von "Power", der "Powered Up Mix" der Stanton Brothers (wer auch immer das sein mag), geht noch ganz in Ordnung, auch wenn diese sich so gut wie gar nicht vom Original unterscheidet. Der "Cloak & Dagger Mix" von "Secrets" - ebenfalls von den Stantons - ist nicht mehr als eine leicht verlängerte Kopie des Originals, etwas, das nach Mänteln und Dolchen klingt, sucht man leider vergebens. Track drei ist ein "O'Higgins Mix", der anscheinend bei den Aufnahmen 1986 durch's Raster gefallen ist und ebenfalls kaum Unterschiede zu der auf "Dawnrazor" enthaltenen Variante aufweist. Erst bei den nun folgenden drei Demo-Versionen von "Dawnrazor", "Secrets" und "Power" wird dem Hörer wirklich Neues geboten, wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass es diese Demos nicht auch als Bootleg irgendwo zu ersteigern gibt.

Nach diesem kurzen Ausflug in ganz alte Zeiten dürfen sich (wieder mal) die Stanton Brothers (wieder mal) über "Power" hermachen. Diesmal handelt es sich um einen "Power Surge Mix". Auch wenn es sich tatsächlich mal um einen wirklichen Remix handelt, lässt einen das Gefühl nicht los, dass auf dieser CD ordentlich viel Müll verwurstet wurde!

Das letzte Stück der CD lässt allerdings wieder aufhorchen, "Deeper Deepest Dub" nennt sich der Track, der während der Reunion 1997 entstanden sein soll. Die Länge von 9:27 verleitet zu dem Glauben, man habe es mit einem epischen Machwerk zu tun, jedoch wird man auch hier (schon fast erwartungsgemäß) enttäuscht: es handelt sich um eine gefühlte 1000 mal wiederholte Tonspur von "Deeper", auf der nicht eine Sekunde Gesang zu hören ist. Was man bei diesem Stück fühlt, lässt sich nicht im Ansatz beschreiben, dass meine Anlage trotz der sich ewig wiederholenden, immer gleichen und Hass erzeugenden Gitarrensequenz noch lebt, ist ein wahres Wunder und in hohem Maße meinem engelsgleichen Sanftmut zuzuschreiben! Soweit zu CD Eins.

CD Zwei beinhaltet wie bereits oben erwähnt einen Mitschnitt vom Auftritt beim Roskilde Festival 2000. Eigentlich muss nicht mehr gesagt werden, die Soundqualität hat immerhin mittleres Bootlegniveau, die Songs reichen durch alle Schaffensphasen der Band (sogar einige Tracks von "Zoon" sind enthalten) und die Herren McCoy und Co. spielen ihren Stiefel routiniert herunter. Gänsehautfeeling á la "Earth Inferno" wird hier nicht geboten, durfte aber sicherlich auch nicht erwartet werden. Auch wenn in der Trackliste "Love Under Will" und "For Her Light" vertauscht wurden und am Ende des Auftritts das johlende Publikum nicht mal ausgeblendet, sondern einfach abgehackt wird, ist dies insgesamt noch die lohnenste Scheibe dieser Box (auch wenn dieser Auftritt garantiert ebenfalls als Bootleg irgendwo zu finden sein dürfte), denn das, was auf der DVD (wenn man sie denn mal zum Laufen gebracht hat) geboten wird, ist an Frechheit nicht mehr zu überbieten!

Es beginnt mit der Video-Promo von "Power", bei der über die dargebotene Bildqualität sicherlich noch gestritten werden darf, dann folgen zwei Auftritte aus dem "Brighton Zap Club" und einer aus dem "Croydon Underground" von 1986. Spätestens hier sollte man aber - zumindest bei diesem Preis - eine gewisse Bild- und Tonqualität voraussetzen dürfen! Aber wenigstens kommt bei diesen Stücken ("Laura", "Trees Come Down" und "Dawnrazor") noch ein Hauch von Gefühl dafür auf, was die Faszination dieser Band live ausmacht.

Leider geht dieses bei dem Mitschnitt des M'Era Luna-Auftritts gänzlich verloren. Wie soll auch Atmosphäre entstehen, wenn diese "Unseen Performance" (original Sleeveaufdruck) von irgendeinem Arschloch aus der hintersten Reihe mit einem billigen Fotoapparat gefilmt wurde?! Nicht nur, dass kein Stativ benutzt wurde und somit alles verwackelt ist, auch die Tonqualität ist so unterirdisch schlecht, dass man denjenigen, der diesen Mist zahlenden Fans verkauft und sich mit dem "Contains historical archive footage of varying quality"-Hinweis auf der Rückseite der CD auch noch über selbige lustig macht, eigentlich erst Teeren und Federn, die Seele aus dem Leib prügeln und anschließend außer Landes jagen müsste!!! Das lächerliche Interview, welches sich als eine nach dem 1998er Zillo-Festival (in der gleichen miesen Qualität) mitgefilmte und im übrigen völlig bedeutungslose Pressekonferenz entpuppt, verstärkt diesen Wunsch nur noch und lässt diese DVD zur größten Frechheit verkommen, die mir im Laufe meines Lebens untergekommen ist!

Um es direkt auf den Punkt zu bringen: Diese Box ist dreiste Abzocke der übelsten Sorte, von der man jedem potentiellen Käufer nur abraten kann! Schlechte Ton-, Bild- und im Fall der meisten Remixe auch Songqualität enttarnen diese Box - weitaus schlimmer noch als "Fallen" - als lieblos-dilettantisch von Jungle zusammengestellte und von den Fields (verständlicherweise) nicht autorisierte Ansammlung von Schrott. Sollte man bisher noch Zweifel gehabt haben, wer an der "Fallen"-Misere die Hauptschuld zu tragen hatte, dürften diese spätestens jetzt endgültig beseitigt sein. Die Herren vom Label beweisen wieder einmal, dass sie keine Skrupel haben, Fans zu verarschen und den Ruf der Band gleichermaßen auszunutzen und zu zerstören, um auch den letzten Dreck noch zu Geld machen zu können! Wer auch immer für diese Veröffentlichung zuständig gewesen sein mag, sollte sich gehörig schämen!!!

So, und jetzt zur Erholung einmal ganz in Ruhe "Earth Inferno" genießen...!

Tracklist:

CD 1:

  1. Power [Powered Up Mix]
  2. Secrets [Cloak & Dagger Mix]
  3. The Tower [O'Higgins Mix]
  4. Dawnrazor [Demo Version]
  5. Secrets [Demo Version]
  6. Power [Demo Version]
  7. Power [Power Surge Mix]
  8. Deeper Deepest Dub [1997 Reunion]

CD 2:

  1. Intro (The Harmonica Man)
  2. Preacher Man
  3. Moonchild
  4. For Her Light
  5. Love Under Will
  6. Shine
  7. Zoon (Part 3 - Wake World)
  8. Xodus
  9. Dawnrazor
  10. Psychonaut

DVD:

  1. Power [Video Promo]
  2. Laura [Brighton Zap Club 1986]
  3. Trees Come Down [Brighton Zap Club 1986]
  4. Dawnrazor [Croydon Underground 1986]
  5. Moonchild [M'Era Luna Festival 2000]
  6. For Her Light [M'Era Luna Festival 2000]
  7. Love Under Will [M'Era Luna Festival 2000]
  8. Psychonaut [M'Era Luna Festival 2000]
  9. Interview [Bonus Feature]

Links:

Fields Of The Nephilim Homepage

Fields Of The Nephilim bei MySpace

"Genesis & Revelation" bei Jungle Records

Freitag, 9. Mai 2008

Milan Hlavsa - Silenstvi (Madness)

Das letzte Lebenszeichen des 2001 an Krebs gestorbenen Gründers und Chefdenkers der tschechischen The Plastic People Of The Universe. Diese Band ist in Deutschland bestenfalls ein Geheimtipp, in ihrer Heimat sind die nach einem Song von Frank Zappa benannten Undergroundkünstler jedoch so etwas wie Volkshelden, schließlich löste das Verbot dieser (im übrigen ursprünglich eher unpolitischen) Gruppe im Jahr 1970 und die Inhaftierung ihrer Mitglieder 1976 die Veröffentlichung der Charta 77 aus.

Musikalisch gesehen orientierte sich der Sound der Plastic People damals an den Doors und The Velvet Underground, wobei den Songs stets eine ordentliche, durch den (besonders für mitteleuropäische Ohren) ungewöhnlichen tschechischen Gesang und den Einsatz zumeist völlig kaputter oder selbst gebauter Instrumente bedingte Portion Eigenwilligkeit beigemischt wurde.

Auf seinem Soloalbum klingt Hlavsa im Vergleich zu den früheren Alben seiner Band dagegen ziemlich gemäßigt, zumeist bilden wummernde Keyboardklänge und ein relaxt brummender Bass in Kombination mit sägenden Gitarren die Grundlage für den einzigartigen, mal seltsam düster-rauhen, mal klaren und melodischen Gesang.

Den Beginn macht das titelgebende "Silenstvi (Madness)", das sich zwar recht monoton aber trotzdem fesselnd über knapp mehr als sechs Minuten hinzieht, anschließend folgt das vom beschwörenden Gesang bzw. Gemurmel Hlavsas dominierte "Divnej Svet (Strange World)", welches den Hörer durch seine dunkel-hypnotische Wirkung in seinen Bann zieht. "Kapky Krve (Drops Of Blood)" fällt im Vergleich dazu deutlich ab, der zu aufgeregte Rhythmus und der übertriebene Einsatz des Keyboards machen die an sich guten Ansätze des Songs zunichte, so dass einem dieses Stück bei der Länge von immerhin mehr als sechs Minuten ziemlich schnell auf die Nerven gehen kann.

Der von Vorbild Frank Zappa gecoverte Ohrwurm "Spatny Zpravy Kazdej Den (Trouble Every Day)" macht diesen Ausfall jedoch mehr als wett, wofür sich vor allem die schöne und Wärme ausstrahlende Stimme von Eva Turnova (ihres Zeichens Schauspielerin, Bassistin bei der Schwesterband DG307 und nach Hlavsas Tod sein Ersatz bei den Platic People) verantwortlich zeigt. Dieser Track übt in seiner monotonen Schwermut eine unglaubliche Anziehungskraft aus und schmiegt sich sanft, aber bestimmt an den Gehörgang an, um sich unauslöschlich im Gehirn festzusetzen.

"Moc Jsem Si Neuzil (I Haven't Swilled Enough Pleasures)" ist dem zweiten Track in Hinsicht auf Rhythmik und Instrumentierung verdächtig ähnlich, allerdings verleihen der veränderte Gesang und die ab und zu eingestreuten Gitarrensoli dem Stück eine völlig neue, dem Titel entsprechend deutlich aggressivere und unruhigere Stimmung, welche allerdings mit dem nachfolgenden und nach seiner zwischenzeitlichen Plastic People-Nachfolgeband Pulnoc benannten "Pulnoc (Midnight)" noch übertroffen wird. Dieser Song wird von einem für Hlavsa-Verhältnisse rasanten Drumming, zahlreichen Loops und flirrenden Gitarren vorangetrieben, wobei die den vorherigen Stücken eigene Anziehungskraft leider ein wenig verloren geht. Zum Glück macht das anschließende "Sporapky (Nut Shells)" mit seiner faszinierenden Entspanntheit den vorausgegangen Aussetzer sofort wieder vergessen. Dank der zurückhaltenden Instrumentierung und des gleichmäßig-sanften Rhythmus fühlt man sich beim Zuhören von der dunklen Stimme des Sängers sofort wohlig umgarnt und in seiner eigenen kleinen Nussschale in Sicherheit gewogen, so dass dieser Track - zusammen mit "Spatny Zpravy Kazdej (Trouble Every Day)" - einen der beiden wunderbar ruhigen Höhepunkte des Albums bildet.

"Andelske Vlasy (Angels Hair)" geht dagegen in eine völlig andere Richtung und lässt sich aufgrund der teilweise elektronisch verzerrten Stimme und des mystischen Keyboards musikalisch nur schwer einordnen, wobei der Begriff Trip-Rock dem Sound des Stückes wohl am nächsten kommt. Ist sicher nicht jedermanns Sache, aber (zumindest kurzzeitig) durchaus interessant.

"Klaustrofob (The Claustrophobe)" bringt den typischen Hlavsa-Sound (und insbesondere die kreischende Gitarre) wieder zurück und überrascht im Refrain mit orientalisch angehauchten Gesangssamples. Leider werden diese guten Ansätze im weiteren Verlauf des Tracks nicht weiter verfolgt, so dass sich der Song am Ende kaum vom Rest des Albums abheben kann und letztlich ein wenig untergeht.

Abschließend schmeichelt sich "Kouzla A Cary (Magic And Withcraft)" mit Ohrwurmgitarre und beruhigender Stimme ins Gehör. Der entspannt brummende Bass rundet den schönen Gesamteindruck ab und lässt den Song zu einem späten Highlight des Albums werden.

Am Ende muss über das letzte Album des tschechischen Altmeisters jedoch ein zwiespältiges Urteil gesprochen werden, da dieses Werk zumindest über die Gesamtlaufzeit von etwas mehr als 54 Minuten ein wenig Abwechslung vermissen lässt. Alle Stücke klingen mehr oder weniger gleich, lediglich "Spatny Zpravy Kazdej Den (Trouble Every Day)" sticht wirklich heraus und bleibt schon nach dem ersten Hördurchgang hängen. Andererseits verfügen die Soundkonstrukte Hlavsas über einen außergewöhnlichen, durch die dunkle Stimme und die tschechische Sprache fremdartigen und sperrigen Charakter, der sich zwar nicht jedem mitteleuropäischen Ohr erschließen wird, aber dieses Werk dafür zu einer interessanten Alternative für Entdecker neuer Klänge und alle diejenigen macht, die sich für die musikalische und politische Geschichte Osteuropas interessieren.

Tracklist:

  1. Silenstvi (Madness)
  2. Divnej Svet (Strange World)
  3. Kapky Krve (Drops Of Blood)
  4. Spatny Zpravy Kazdej Den (Trouble Every Day)
  5. Moc Jsem Si Neuzil (I Haven't Swilled Enough Pleasures)
  6. Pulnoc (Midnight)
  7. Skorapky (Nut Shells)
  8. Andelske Vlasy (Angels Hair)
  9. Klaustrofob (The Claustrophobe)
  10. Kouzla A Cary (Magic And Withcraft)

Links:

The Plastic People Of The Universe Homepage

The Plastic People Of The Universe bei Myspace

Email-Interview mit Milan Hlavsa

The Plastic People Of The Universe bei Sterneck.net

Interview mit den Plastic People 2006